Caroline Peters: Ein anderes Leben
Auf der Beerdigung ihres Vaters begegnet die namenlose Erzählerin ihrer zusammengewürfelten Familie und erinnert sich an das Kindsein und Erwachsenwerden in ungewöhnlichen Familienverhältnissen.
Hanna, ihre Mutter, die schon vor Jahren gestorben ist, hat nacheinander ihre drei besten Freunde geheiratet und mit jedem ihrer Männer eine Tochter bekommen. Nun ist ihr letzter Ehemann gestorben und mit der Beerdigung beginnt das Erinnern an eine ungewöhnlich Frau und Mutter sowie eine alles andere als normale Kindheit.
Hanna wird in den 30er Jahren geboren, verliert ihren Vater im Krieg, flieht mit der Familie in den Westen und beginnt ihr Studium. Dann heiratet sie nacheinander ihre drei besten Freunde, bekommt von jedem der so sehr unterschiedlichen Männer eine Tochter und verlässt schließlich auch ihren dritten Mann, um endlich das Leben allein und selbstbestimmt auszuprobieren, alles Verpasste nochmal anzugehen.
Das ist das grobe Gerüst der Geschichte und Caroline Peters gelingt es in unnachahmlicher Weise diese zwiespältige Hanna, mal rebellische Studentin, mal angepasste Ehefrau, liebevolle und dann wieder unnahbare Mutter zu beschreiben, lebendig werden zu lassen.
Ewald Arenz: Zwei Leben
Ewald Arenz nimmt uns in seinem Buch "Zwei Leben "
mit in das kleine süddeutsche Dorf Salach zu Beginn der siebziger Jahre.
Dorthin ist Gertrud von Hamburg aus gezogen. Der Liebe wegen, denn ihr Mann hat dort die Stelle des Pfarrers angetreten. Es sollte nur für kurze Zeit sein, doch nun sind mehr als zwanzig Jahre vergangen, der gemeinsame Sohn Wilhelm steht kurz vor dem Studium und ihr wird die Enge des Dorfes immer unerträglicher. Da lädt ihr Bruder sie ein, ihn auf eine achtwöchige Geschäftsreise durch Europa zu begleiten. Sie nimmt die Einladung an und das bleibt nicht ohne Folgen.
Und dann ist da Roberta, die einzige Tochter eines Paares, das einen Bauernhof in ebendiesem Dorf bewirtschaftet. Sie hat eine Schneiderlehre in der Stadt absolviert. Und auch, wenn sie davon träumt, Mode zu entwerfen und nach Paris zu gehen, so ist sie doch sehr innig mit dem Dorf, dem elterlichen Hof und dem Leben dort verbunden.
Nach ihrer Rückkehr trifft sie Wilhelm, den Pfarrerssohn und Freund aus Kindertagen wieder. Sie verlieben sich ineinander und werden heimlich - es sind die frühen Siebziger und es ist ein Dorf - ein Paar.
Doch dann geschieht ein Unglück und sowohl für Roberta als auch für Gertrud ist nichts mehr so, wie es war.
Fazit: Ein unglaublich vielschichtiger und warmherziger Roman - unbedingt lesen!
Peter Huth: Der Honigmann
Fischbach ist das Paradies für alle, die dem Großstadtrummel entfliehen, aber auch nicht allzu weit davon entfernt sein wollen.
Und die Anzahl der begehrten Eigentumshäuser mit Blick auf den namengebenden Bach ist begrenzt.
Fine und Tim mit ihrer Tochter und auch Katja und Robert mit ihren zwei Kindern haben vor Jahren das Glück gehabt, dort ein Haus kaufen zu können.
Gegenüber wohnen Louisa, ihr Mann Albert und die drei Kinder. Leider ohne Blick auf den Bach und "nur" zur Miete in einer schönen, alten Villa.
Alle sind miteinander befreundet. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich im Job, bis auf Robert, der seine Stelle bei der Zeitung verloren hat. Nun quälen ihn Zukunftsängste, er rechnet permanent aus, wie lange und wofür seine Abfindung reicht und beginnt immer früher am Tag zu trinken.
In diesem idyllischen Fischbach hat vor einiger Zeit in der Nähe der Schule ein neuer kleiner Laden eröffnet. Man bekommt dort Geschenkartikel, Tees und Honig, besonderen Honig aus Rumänien. Der Ladeninhaber ist ein stiller, älterer Herr, der immer ein offenes Ohr und eine Tasse Tee für seine Kunden hat.
So weit, so gut. Doch dann gräbt irgendwer einen alten Zeitungsartikel aus... Der ach so beliebte Honigmann ist vor Jahren wegen Pädophilie verurteilt worden.
Die Vorstadtidylle bzw, deren Fassade bekommt Risse, beginnt zu bröckeln. Unsicherheit und Angst schaukeln die Stimmung in Fischbach hoch und schließlich eskaliert die Situation.
Die Freundschaft der drei Paare wird auf eine harte Probe gestellt, jeder einzelne geht verändert aus den Ereignissen hervor und nicht selten ist Entsetzen und Unverständnis in den Augen der Freunde zu sehen. Werden es Freunde bleiben?
Sarah Easter Collins: So ist das nie passiert
Willa, Mitte 30, ist mit ihrem Verlobten James bei ihrer alten Collegefreundin Robyn eingeladen. Auch Robyns Brüder mit ihren Freundinnen sind dort. In einer dieser jungen Frauen glaubt Willa ihre Schwester Laika, die vor mehr als 20 Jahren verschwand, zu erkennen.
Willa und Laika wachsen in behüteten und wohlhabenden Verhältnissen auf. Der Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, die Mutter eine lebensfrohe, warmherzige Frau. Willa ist ein stilles, angepasstes Mädchen, ihre kleine Schwester Laika hingegen rebelliert häufig gegen die starren Regeln des Vaters.
Eines Tages, Laika ist gerade 13 Jahre alt, verschwindet sie spurlos. Weggelaufen, entführt, ermordet ... alles ist möglich, nichts ist erwiesen.
An diesem Ereignis zerbricht die Familie. Willa wird auf ein Internat geschickt, um sie vor dem aberwitzigen Presserummel zu schützen. Dort lernt sie ihre Freundin Robyn kennen.
Willas Leben ist geprägt von der Suche nach ihrer kleinen Schwester, die sie an vielen Orten zu sehen glaubt.
Und dann trifft sie ausgerechnet bei einem Essen bei ihrer alten Freundin auf ihre so lange gesuchte kleine Schwester...?
Sarah Easter Collins ist mit "So ist das nie passiert" ein spannendes, einfühlsames und immer wieder überraschendes Debüt gelungen.
Nicole Wellemin: Späte Ernte
Drei Frauen, zwei Zeiten, ein Bergbauernhof in Ritten in Südtirol.
Eben diesen Bergbauernhof bewirtschaftet Anna. Sie baut dort verschiedene Apfelsorten an und produziert sortenreine Säfte. Ein Projekt, das von vielen belächelt wird.
Während eines Unwetters rettet sie Lis, die schlecht ausgerüstet in den Bergen unterwegs ist, aus einer misslichen Lage.
Lis hat nach einem fürchterlichen Erlebnis und einer noch fürchterlicheren Erkenntnis Hals über Kopf München verlassen und ist in die Berge geflohen. Wovor sie geflohen ist erfahren wir in kleinen Häppchen, die Schreckliches vermuten lassen.
Anna nimmt Lis ohne Fragen zu stellen bei sich auf. Und für beide Frauen scheint es eine Win-Win-Situation zu sein. Anna kann die Unterstützung von Lis gut gebrauchen. Und Lis hat, ohne von sich erzählen zu müssen, eine Bleibe und - was noch viel wichtiger ist - eine Aufgabe.
Und dann ist da noch Lene, die mittlerweile verstorbene Großmutter von Anna. Lene heiratet 1943 ihre große Liebe Elias. Doch noch bevor ihr gemeinsames Leben beginnt, wird Elias vom Traualtar weg an die Front beordert. Lene muss in der folgenden Zeit den Hof ihres Ehemannes allein bewirtschaften.
Nach Kriegsende kehrt Elias zurück und Lene ist überglücklich, doch schon bald wird dieses Glück getrübt.
Lenes und Elias' Unglück wirft Schatten bis in die Gegenwart, auf Annas Leben.
Umso erfreulicher ist es, erleben (erlesen) zu können, wie Anna und Lis sich von den Schatten der Vergangenheit Stück für Stück befreien, Neues wagen und Nähe wieder zulassen können.
Iris Wolff: Lichtungen
In dem Buch "Lichtungen" erzählt Iris Wolff die Geschichte von Lev und Kato. Und das tut sie derart zart und poetisch, dass man es fast nicht beschreiben kann.
Lev und Kato leben in einem kleinen Ort in Rumänien. Anfangs verbindet sie nichts außer dem gemeinsamen Schulbesuch. Als Lev krank wird und für Wochen ans Bett gefesselt ist, ist es ausgerechnet Kato, die von seiner Lehrerin geschickt wird, um ihm die Hausaufgaben zu bringen.
So verschieden die beiden auch sind, es entwickelt sich eine unendlich zarte und doch unverbrüchliche Freundschaft zwischen ihnen. Und diese Freundschaft trägt sie über Jahre.
Dann verändert sich die politische Landschaft, die Grenzen öffnen sich. Kato bricht auf, Lev bleibt in Siebenbürgen. Über Jahre bleiben die Postkarten, die Kato an Lev schreibt, die einzige Verbindung. Dann erreicht Lev einen Postkarte, auf der nur drei Worte stehen: Wann kommst Du?
Und Lev bricht auf.
Das Ungewöhnliche an diesem Roman ist, dass die Geschichte von Lev und Kato rückwärts erzählt wird.
Diese rückwärts erzählten neun Kapitel sind für gut dreißig Lebensjahre scheinbar karg. Und doch stößt Iris Wolff mit ihrer unglaublich schönen, zarten und poetischen Sprache die Tür zu zwei üppigen Lebensgeschichten auf und nimmt uns mit auf eine Zeitreise.
Uwe Timm: Alle meine Geister
Uwe Timm, mittlerweile 83 Jahre alt und Autor vieler großartiger Romane, lässt uns mit seinem neuen Buch an einem Abschnitt seines Lebens teilhaben.
In den 50er Jahren wird der 15jährige Uwe Timm von seinem Vater, der Inhaber eines Pelzhandels ist, in eine Kürschnerlehre geschickt. Diese absolviert er mit Bravour. Und in diesen drei Jahren der Ausbildung eröffnen ihm seine Kollegen, Anleiter und Vorgesetzten so vielfältige Blicke auf die Welt. Da ist der Jazz, die Literatur, die Philosophie und auch die Tür zum politischen Denken wird aufgestoßen.
Uwe Timm gelingt es, all diese kleinen und großen Entwicklungen unterhaltsam, manchmal mit einer Prise Selbstironie zu schildern. Und sogar die detailreichen Beschreibungen des Kürschnerhandwerkes sind nie langweilig.
Grad hat er seine Lehre mit Bravour abgeschlossen und will nun das Abitur machen, da stirbt sein Vater und hinterlässt der Familie ein völlig überschuldetes Geschäft. Also bricht er die Schule ab und schafft es tatsächlich die Insolvenz abzuwenden und das Geschäft wieder zu beleben.
Dann erst holt er sein Abitur nach.
"Alle meine Geister" ist ein großartiges Sprachfeuerwerk, das nicht nur diesen Lebensabschnitt Uwe Timms, sondern auch die Zeit der noch jungen Bundesrepublik und des Weltgeschehens lebendig werden lässt.
Auch das Hörbuch, gelesen von Gert Heidenreich, ist ein absoluter Genuss.
Kristina Pfister: Tage im warmen Licht
Maria verliert ihren Job, die Wohnung wird ihr wegen Eigenbedarfs gekündigt und ihre Tochter ist kreuzunglücklich in der Schule, da sie gemobbt wird. Also packt Maria kurzentschlossen ihre Tochter, den geerbten Hund und das Nötigste zusammen und fährt in das
Haus, das ihrer Großmutter ihr hinterlassen hat. In das Dorf, in dem sie aufgewachsen ist und in das sie nie mehr zurück wollte.
Ihre Tochter lebt auf, findet Freunde und kann die Münchener Erlebnisse hinter sich lassen.
Maria begegnet vielen alten Freunden und Bekannten, aber es kommen auch schlimme Erinnerungen hoch. Und so zweifelt sie immer wieder an ihrer Entscheidung, zurückgekehrt zu sein.
Zum Glück gibt es da auch noch Henning, ihren besten Freund aus Kinder- und Jugendtagen. Und da ist Martha, ihre betagte Nachbarin, die allerbeste Freundin ihrer Großmutter. Martha hat immer ein offenes Ohr, ist lebensklug und hilft (nicht nur) Maria mit den Fallstricken des Lebens klar zu kommen. Auch wenn sie sich schmerzhaften Erinnerungen stellen muss.
Aber auch Martha hat ein Geheimnis...
Soviel sei verraten und nun wünsche ich Ihnen viel Vergnügen mit diesem spätsommerlichen Roman.
Ute Mank: Elternhaus
Ute Mank erzählt in ihrem Roman "Elternhaus" von drei Schwestern und davon, was eben dieses Elternhaus für jede von ihnen bedeutet.
Sanne ist die älteste Schwester, ganz geradlinig und in ihrer Lebensweise den Eltern nicht unähnlich. Ausbildung, Heirat, Hausbau, zwei Kinder und Berufstätigkeit. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus, aber da sind nun die Eltern, um die sie sich kümmert. Und irgendwann beschließt Sanne, dass die Eltern nicht mehr in ihrem Haus bleiben können und sucht nicht mit ihnen, aber für sie eine seniorengerechte Wohnung.
Dann ist da Petra, die mittlere Schwester. Sie ist die einzige, die studiert hat und nun weit weg ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben führt und nur selten zu Besuch bei den Eltern ist. Auch der Kontakt zu den Schwestern ist spärlich.
Die dritte im Bunde ist Gitti, die Jüngste. Sie ist diejenige, bei der die Eltern nicht mehr so streng waren. Sie ist auch diejenige, deren Lebensweg nicht so geradlinig verlaufen ist. Gitti lebt mit Kind und langjährigem Partner nicht weit weg vom Heimatort.
Als die beiden jüngeren Schwestern erfahren, dass die Eltern umgezogen sind und Sanne nun das Elternhaus verkaufen will sind sie schockiert und empört. Aber auch Sanne kann es letztendlich nicht über sich bringen, das Haus zu verkaufen.
Allein das Ansinnen löst bei den drei Schwestern Unterschiedlichstes aus. Jede verbindet anderes mit diesem Haus und der gemeinsamen Zeit. Und jede von ihnen erinnert die gemeinsame Zeit zum Teil völlig verschieden.
Mit diesem Erinnern und dem Abschiednehmen vom Elternhaus gehen große und kleine Veränderungen in den jeweiligen Lebenssituationen der drei Schwestern einher.
Ute Mank erzählt in knappen Sätzen, mit einer ganz eigenen Leichtigkeit und sie schildert die Schwestern, ihr Denken und Handeln ganz ohne Wertung.
Caroline Wahl: 22 Bahnen
Tilda steht kurz vor dem Abschluss ihres Mathematikstudiums, arbeitet nebenbei im Supermarkt an der Kasse und kümmert sich um ihre kleine Schwester Ida und ihre alkoholkranke Mutter.
Jetzt, im Sommer, geht sie, wann immer es ihr möglich ist, ins Freibad. Dort entflieht sie 22 Bahnen lang dem Alltag und der Verantwortung.
Dann geschehen zwei Dinge: ihr wird eine Promotionsstelle in Berlin angeboten und im Freibad, ihrem Zufluchtsort taucht Viktor auf. Viktor ist der ältere Bruder eines Freundes, der im letzten Sommer ihrer Schulzeit tödlich verunglückte.
In diesem Sommer der "22 Bahnen" wächst eine Liebe, klärt sich eine alte Schuld und Ida überrascht ihre große Schwester Tilda mit ihrer leise gewachsenen Selbstständigkeit und Klugheit.
Caroline Wahl erzählt schnörkellos und mit Leichtigkeit vom Erwachsenwerden und Erwachsensein, dem Zusammenleben mit einer alkoholkranken Mutter und den merkwürdigen Wegen der Liebe.
David Safier: Solange wir leben
David Safier erzählt die Geschichte seiner Eltern, zweier Menschen, von denen man denken könnte, sie würden sich nie begegnen, geschweige denn einander heiraten.
Joschi Safier wächst in Wien auf und entgeht in den 30er Jahren dem Schicksal so vieler Juden nur knapp durch die Ausreise nach Israel. Anders als seine politisch engagierte Schwester Rosl wird er dort nicht richtig heimisch.
Schließlich heuert er als Stewart auf einem Schiff an und ist fortan in der Welt unterwegs. Auch nach Deutschland kommt er. Und ausgerechnet dort lernt er in Bremen bei einem Landgang die um einiges jüngere Waltraut kennen. Waltraut hat eine kleine Tochter, doch der Krieg hat sie zur jungen Witwe gemacht.
Joschi verliebt sich sofort in Waltraut, sie hingegen ist zögerlich und es bedarf vieler Postkarten und Landgänge, bis sie schließlich ein Paar werden, heiraten und einen Sohn - David - bekommen. Einfach wird ihr gemeinsames Leben jedoch nie sein. Beide haben soviel unterschiedliches Leid der Vergangenheit im Gepäck und auch die Gegenwart hält einiges an Hürden für sie bereit.
David Safier gelingt es, die Geschichte seiner Eltern ohne Beschönigungen und trotzdem mit Leichtigkeit zu erzählen.
Andrea Bonetto, Abschied auf Italienisch
Andrea Bonetto lässt seinen Commissario Grassi in Ligurien, an der schönen Küste von Cinque Terre, ermitteln.
Grassi lebt eigentlich in Rom. Als aber unerwartet sein Vater stirbt und dieser ihm ein Haus an der Küste vererbt, bricht er seine Zelte in Rom ab und nimmt eine Stelle in La Spezia an.
Die erste Überraschung ist Toni, der nicht wie erwartet ein Freund seines Vaters ist, der sich um Haus und Garten kümmert, sondern eine Frau. Und diese Toni macht zunächst auch keinerlei Anstalten, aus dem Haus auszuziehen. Doch Grassi bleibt nicht viel Zeit über diesen Umstand nachzudenken, denn schon an seinem ersten Arbeitstag stolpert er über eine Frauenleiche. Und nur kurze Zeit später wird auf seinem Grundstück eine männliche Leiche gefunden.
Die Familie der toten Frau verhält sich merkwürdig.
Der Tote aus Grassis Garten war ein dubioser deutscher Geschäftsmann. Zwei unabhängige Fälle oder gibt es eine Verbindung?
Neben gelungenen Dialogen, nicht-blutrünstiger Spannung und dem Blick auf eine wunderschöne Landschaft sind der Commissario, seine Assistentin, Toni und ein pfeifender Pathologe eine so originelle Truppe, dass man sich schon auf eine Fortsetzung freut.
Trude Teige: Als Großmutter im Regen tanzte
Trude Teige erzählt die Lebens- und Liebesgeschichten dreier Norwegerinnen: Großmutter Tekla, Tochter Lilla und Enkelin Juni.
Juni zieht sich nach dem Tod der Mutter und Gewalterfahrungen in ihrer Ehe auf eine kleine norwegische Insel zurück. Dort will sie sich darüber klar werden, wie es mit ihrer Ehe weitergehen soll. Und sie beginnt, den Nachlass ihrer Großeltern und ihrer Mutter zu sichten.
Dabei stößt sie auf Fotos, die ihre Großmutter Tekla mit einem jungen deutschen Soldaten zeigen.
Neugierig geworden, beginnt sie die Lebensgeschichte ihrer Großmutter zu erforschen. Sie findet heraus, dass Tekla nach Kriegsende Otto, eben diesen jungen Soldaten, heiratet und mit ihm nach Deutschland geht. Zuhause wird sie als "Deutschenhure" beschimpft und man nimmt ihr die norwegische Staatsbürgerschaft.
Als die beiden nach einem langen, beschwerlichen Weg in Demmin, Ottos Heimatstadt im Osten Deutschlands, ankommen, müssen sie feststellen, dass dort Schreckliches geschehen ist. Ottos Familie lebt nicht mehr und das elterliche Gut wurde von den Russen in Besitz genommen.
Nur bis hierhin sei von Teklas noch langem Weg zurück nach Norwegen erzählt.
Juni, die auf der Insel Georg kennengelernt hat, begibt sich mit ihm weiter auf eine Spurensuche, die ihr einen gänzlich neuen und vieles erklärenden Blick auf das Leben sowohl ihrer Großmutter als auch ihrer Mutter ermöglicht.
Atemlos, entsetzt und immer wieder angerührt von dem, was das Leben ausmacht, habe ich dieses Buch nicht aus der Hand legen können.
Ewald Arenz: Die Liebe an miesen Tagen
Clara: verwitwet, Ende Vierzig, gerade arbeitslos geworden.
Elias: Schauspieler, um einiges jünger als Clara, Vater einer fast erwachsenen Tochter und halbherzig mit Vera liiert.
Diese beiden begegnen sich zum ersten Mal, als Elias und Vera das zum Verkauf stehende Haus von Clara und ihrem verstorbenen
Mann besichtigen. Schon bei dieser ersten kurzen Begegnung liefern die beiden sich witzige, hintersinnige Wortgefechte.
Als sie sich bei einer Premierenfeier zufällig wieder begegnen, ist ihnen ganz schnell klar, dass es ein ganz besonderes Band zwischen ihnen gibt. Auch wenn beide Vorbehalte unterschiedlichster Art haben, wird ein Paar aus ihnen.
Natürlich geht es nicht immer reibungslos und himmelblau weiter. Clara erhält ein Stellenangebot aus Hamburg, das sie nicht ablehnen kann. Elias ist für die nächsten zwei Jahre noch an sein Engagement gebunden. Für Clara kommt eine Fernbeziehung nicht in Frage. Sie trennt sich von Elias.
Als dieser kurze Zeit später sehr krank wird, wird ihr klar, wie viel ihr an Elias und einem gemeinsamen Leben mit ihm liegt. Doch nun ist er es, der sich nicht wieder auf Clara einlassen will. Mehr wird nicht verraten...
Ewald Arenz überrascht und verwöhnt mit originellen Rededuellen, großartigem Sprachwitz und zeichnet seine Figuren mit spürbarer Freundlichkeit und Zugewandtheit.
Auch die "Nebenrollen" sind großartig besetzt - der gnadenlos ehrliche Bruder, die demente Mutter und der weltfremde Vater, die fast erwachsene und lebenskluge Tochter.
Meine Empfehlung: einen Nachmittag freihalten und ab auf die Couch mit dem Buch.
Leila Slimani: Schaut, wie wir tanzen
Nachdem vor einiger Zeit meine Kollegin Daniela Wurth das Buch "Das Land der Anderen" von Leïla Slimani empfohlen hat, möchte ich Ihnen heute den zweiten Teil der Romantrilogie der Autorin ans Herz legen. Im ersten Teil wurde das Leben von Mathilde und Amine Belhaj beschrieben. "Schaut, wie wir tanzen" beginnt in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Slimani erzählt vom Leben der Kinder von Mathilde und Amine, von Aicha und Selim Belhaj. Die beiden wachsen durchaus privilegiert auf, da Mathilde und Amine nach mühevollen Jahren nun angesehen und wohlhabend sind. Aicha studiert im Elsaß Medizin, ist ehrgeizig und diszipliniert. Ihr Bruder hingegen tut sich schwer mit Schule und den Erwartungen, die sein erfolgreicher Vater an ihn hat. Und so kommt es, dass er in diesen umbruchreichen und unruhigen Zeiten seinen Eltern und den gesellschaftlichen Anforderungen den Rücken kehrt und sich einer Hippie-Komune anschließt. Nachdem Aicha nach Marokko zurückkehrt, lernt sie einen jungen Mann kennen, der Wirtschaftswissenschaften studiert und den alle nur "Karl Marx" nennen. All das geschieht vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in Marokko, einem Land, in dem die Schere zwischen Arm und Reich, Monarchie und Demokratie, gebildet und ungebildet, Mann und Frau unvorstellbar auseinanderklafft.
Leïla Slimani ist es gelungen, eine unglaublich spannende Familiengeschichte zu schreiben, die uns Lesern gleichzeitig einen Blick in ein gar nicht so fernes und doch so unbekanntes Land gewährt.
Martin Kordic: Jahre mit Martha
In meinem ersten Buchtipp möchte ich Ihnen "Jahre mit Martha" von Martin Kordic ans Herz legen.
Ludwigshafen in den späten 90er Jahren. Hier lebt Zeljko, von allen Jimmy genannt, mit seinen Eltern, dem großen Bruder und der kleinen Schwester in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Die Eltern sind aus Jugoslawien gekommen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Mutter hat mehrere Putzstellen, der Vater ist als Bauarbeiter oft auf Baustellen in ganz Deutschland unterwegs.
In dem Sommer, in dem Jimmy 15 Jahre alt ist, lernt er Martha kennen. Eine Heidelberger Professorin bei der seine Mutter putzt. Er übernimmt einen Ferienjob als Gärtner bei ihr. Und er verliebt sich in sie. Und sie sich in ihn(?). Die sommerliche Romanze gipfelt in einem Opernbesuch und einem einzigen Kuss. Danach hört Jimmy lange nichts von Martha.
Er kämpft sich ehrgeizig gegen alle Widrigkeiten durch die Schule, besteht sein Abitur und beginnt ein Studium in München. In dieser Zeit nimmt Martha wieder Kontakt zu ihm auf. Sie begleitet ihn unter anderem zur Beerdigung seines Großvaters nach Kroatien, ist die einzige, die an seiner Abschlussfeier an der Universität teilnimmt. Und doch bleibt es eine Beziehung, in der Jimmy alles preisgibt und Martha nichts.
Nach seinem Uniabschluss und seinem Karrierestart in einem jungen Unternehmen versandet der Kontakt zu Martha. Und irgendwann schaut er genauer auf seine „Laufbahn“ und beginnt sich selbst zu demontieren. Zeljko begegnet Martha noch einmal.
Martin Kordic schildert sehr eindringlich und fast durchgängig in einem heiteren Ton den Weg von Jimmy zu Zeljko.
Manuela Romund
Buchhändlerin
Von einer Tante in jungen Jahren mit dem "Bücher-Virus" infiziert, bin ich über den Umweg des Germanistik-Studiums beim Buchhandel gelandet.
Und habe es nie bereut! Die Freude an so vielen verschiedenen Geschichten und darüber, dass man die Welt auf so vielfältige Weise betrachten kann hat mich nie verlassen.
Und das Beste: beim Buchhandeln kann ich diese Freude teilen!
Ich lese gern Romane und Krimis, ich bin für Sie da, sobald Sie die Buchhandlung betreten und ich freue mich, wenn Buchtipps "Treffer" sind.