Bernard Bolzano, der 1781 in Prag geboren wurde und ebendort 1848 starb, war der größte Logiker zwischen Leibniz und Frege. Diesen Rang erwarb er durch die Theorien der logischen Wahrheit, der Folgerung und der Begründung, die er in seiner monumentalen Wissenschaftslehre (als Basis seiner Epistemologie, Heuristik und Methodenlehre) entwickelte. Er war ein kreativer Mathematiker, der den später so genannten Satz von Bolzano-Weierstraß bewies, ein paar Jahre vor Cauchy das "Cauchy'sche" Konvergenzkriterium formulierte, eine Generation vor Weierstraß eine in einem Intervall zwar stetige, aber nirgends differenzierbare Funktion definierte und in den Paradoxien des Unendlichen Grundgedanken Cantors und Dedekinds antizipierte. Bolzano war ein katholischer Priester, der von der Reformbedürftigkeit seiner Kirche überzeugt war. In seinen Vorlesungen als Professor für philosophische Religionslehre erteilte er jeder theonomen Ethik eine Absage und plädierte für einen kantianisch temperierten Utilitarismus. Viele der Reden, die er als Studentenpfarrer hielt, kursierten bald in Mit- und Abschriften in ganz Böhmen. Hier erwies er sich als scharfsinniger Analytiker moralischer und politischer Begriffe und als politischer Dissident, dem die Tschechen bis heute nicht vergessen haben, dass er die Diskriminierung der slawischen Bevölkerungsmehrheit durch die deutsche Minderheit anprangerte. Der "gute Kaiser Franz", den die österreichische Hymne besang, sorgte für die Entlassung des Professors und drängte den Prager Erzbischof zu einem kirchlichen Verfahren gegen den Priester. Bolzano verweigerte den geforderten Widerruf und ließ sich auch in seinen letzten Lebensjahren nicht daran hindern, neben mathematischen und philosophischen Abhandlungen für die Böhmische Akademie auch Zeitungsartikel zu schreiben, in denen er präzise darlegte, was getan werden müsste, um das Elend in den Slums des Goldenen Prag zu beseitigen. Wolfgang Künne schildert Bolzanos Leben und sein Nachleben im Kontext der tschechischen Geschichte zwischen Joseph II. und Václav Havel. Er macht den Leser mit Bolzanos zeitgenössischen Freunden und Feinden und mit seinen Wiederentdeckern bekannt, die Schüler oder Enkelschüler Brentanos oder tschechische Mathematiker waren. Und er stellt die wichtigsten Schriften Bolzanos in der Reihenfolge ihrer Entstehung vor und kommentiert sie ausführlich.Bernard Bolzano, who was born in Prague in 1781 and died there in 1848, was the greatest logician between Leibniz and Frege, universally renowned for his theories of logical truth, inference and reasoning. He was a creative mathematician, but also a Catholic priest who was convinced that his church was in need of reform, an astute analyst of moral and political concepts and a political dissident. In his magisterial study, his opus magnum, Wolfgang Künne describes Bolzano's life and afterlife in the context of Czech history between Joseph II and Václav Havel. He introduces the reader to Bolzano's contemporary friends and enemies and to his rediscoverers, who were pupils or grand-pupils of Bolzano or Czech mathematicians. And he presents Bolzano's most important writings in the order in which they were written and comments on them in detail.